freedom roads!

Koloniale Straßennamen in der postkolonialen Erinnerungskultur

  • wachsende erinnerungskulturelle Transferausstellung in deutschen Städten
  • vielfältiges Begleitprogramm
  • globale Geschichte und Gender-Aspekte
  • Kunst und Beteiligung
  • künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum
  • internationale Konferenz
  • europäische Kooperation
  • Zusammenarbeit mit außereuropäischen Ländern

 
 
Anliegen
 
Unsere Stadtlandschaften sind geprägt von kolonialen Spuren. Am offensichtlichsten sind dabei wohl Straßenamen mit kolonialer Konnotation, die in etwa 35 deutschen Städten zu finden sind. Während koloniale Straßennamen in den meisten afrikanischen Ländern nach der Unabhängigkeit umbenannt wurden, sind in Deutschland, Frankreich, der Schweiz und anderen europäischen Ländern erst in den letzten Jahren Straßenumbenennungsinitiativen entstanden. Übersicht über Initiativen zur Umbenennung kolonialer Straßennamen in europäischen Ländern: www.afrika-hamburg.de/umbenenn.html.
 
Beim Vernetzungstreffen der postkolonialen Initiativen in Köln im Winter 2008 ist deutlich geworden, dass die Thematisierung der Straßennamen in vielen Orten als eine der zentralen erinnerungskulturellen Aufgaben angesehen wird. Dabei wurde das Anliegen deutlich, die Straßeninitiativen bundesweit stärker zu vernetzen, den Austausch von Erfahrungen und Forschungsergebnissen zu ermöglichen und auch überregionale Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.
 
Das Projekt freedom roads! wird diesem Anliegen lokaler Initiativen entsprechen. Es lädt die Öffentlichkeit ein, die koloniale Erinnerungskultur in unseren Städten kritisch unter die Lupe zu nehmen und dabei neue transkulturelle Perspektiven für postkoloniales Erinnern zu entwickeln.
 
Für das Projekt gerade in den Jahren 2010-2012 gibt es aus aktuellem Anlass gute Gründe:
 
- 2009/10 jähren sich Deutschlands offizieller Einstieg in die Kolonialpolitik und die Berliner Afrika-Konferenz zum 125. Male
 
- 2010-12 werden die Unabhängigkeitsjubiläen aller ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika begangen. Im 'Afrikanischen Jahr' 1960 - also vor 50 Jahren - errangen 17 afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit, darunter Togo und Kamerun.
 
 

 
 
Ziele
 
Ziel des Projekts freedom roads! ist es, die notwendige Debatte zur postkolonialen Erinnerungskultur weiterzuführen und eine breitere Öffentlichkeit in den begonnenen Diskussionsprozess über die lokalen Spuren des Kolonialismus zu involvieren.
 
Die Ausstellung ermöglicht einen Dialog zwischen Menschen aus ehemals kolonisierenden und aus kolonisierten Ländern über unser 'koloniales Erbe' und wird dabei die afrikanische Sicht auf die Kolonialvergangenheit sichtbar machen. Sie fragt nach Chancen transkultureller Erinnerung.
 
Das Ausstellungsprojekt versteht sich als
 
- Beitrag zum globalen Geschichtslernen
 
- entwicklungspolitische Bildungsarbeit
 
- Beitrag zur Geschlechtergeschichte (Gender-Aspekt)
 
- Möglichkeit, sich sinnlich und kreativ mit einem Sachthema zu befassen
 
- eine Plattform zur Unterstützung der Kampagnen in den einzelnen Städten und zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für postkoloniale Erinnerungskultur
 
- Beitrag einer antirassistischen, kolonialismuskritischen Erinnerungskultur, die Deutschland auf der UN-Weltkonferenz in Durban 2001 zu fördern versprach.
 
 

 
 
Ausstellungsinhalte
 
freedom roads! ist ein Ausstellungsprojekt zur bundes- und europaweiten Vernetzung und Debatte um koloniale Straßennamen mit Interventionen im Stadtraum.
 
- Das modulare und mobile Ausstellungsformat ist innovativ: das Projekt reist durch Deutschland, dabei wird sie jeweils um lokale Beiträge ergänzt und so stetig wachsen.
 
- Das Projekt ist beteiligungsorientiert und lädt AusstellungsbesucherInnen und Schulklassen zum Mitgestalten, Mitdenken und Mitdiskutieren ein. Es eignet sich auch für deutsch-afrikanische Partnerschaftsprojekte von Schulen, Gemeinden und Kommunen.
 
- Die Ausstellung präsentiert und thematisiert:
 

- die bisherigen/derzeitigen kolonialen Namensgeber der Straßen in Bildern und Texten
 
- eine Dokumentation bisheriger Straßenumbenennungsinitiativen in Deutschland und in anderen Ländern
 
- Biographien alternativer Namensgeber und vor allem Namensgeberinnen
 
- den afrikanischen Widerstand, die Befreiung und den Weg in die Unabhängigkeit
 
- Installationen mit Straßenschildern und -masten
 
- Zeitzeugen und ihre Erinnerungsobjekte
 
- künstlerische Objekte und Installationen, auch im Stadtraum
 
- ein Begleitprogramm

- Dokumentation:

- Portal-Webseite zur Übersicht von Straßennamen und ihren Umbenennungen in Deutschland,
im europäischen Raum, in Afrika
 
- Katalog

- Am Ende wird eine große Gesamtausstellung in Berlin präsentiert, die einen bundesweiten Überblick zur Straßenthematik ermöglicht und auch auf weitere Schwerpunkte der postkolonialen Stadtforschung und Erinnerungsarbeit verweist.
 
- Zu einem internationalen Treffen der Straßenumbenennungsintiativen wird im Rahmen der Finissage eingeladen.
 
 

 
 
Ausstellungsorte, Aussteller, Transfer, Zeitplan
 
- Die erste Etappe der Ausstellung ist für September 2010 in der Neuen Galerie des Kurt-Schumacher-Hauses in Berlin geplant.
 
- In den Jahren 2010-2012 wird die Ausstellung durch deutsche Städte wandern und dort auch die relevanten Straßen vor Ort, ihre Geschichte, die Historie ihrer Namensgeber und die Auseinandersetzung um sie thematisieren. Hierzu laden wir insbesondere die Städte Freiburg, München, Hamburg, Hannover, Bremen, Köln, Bielefeld, Stuttgart und weitere ein sowie in der Schweiz St. Gallen und Zürich.
 
- Grundlegende Ausstellungselemente, Informationsträger, Objekte werden zur Verfügung gestellt, und der Aufbau wird von uns gewährleistet. Wir unterstützen auch alle Ausstellungserweiterungen
 
- Die Finanzierung der verschiedenen Ausstellungspräsentationen muss voraussichtlich von den jeweiligen Ausstellern/Initiativen vor Ort übernommen werden, wofür Projektgelder von lokalen Förderern beantragt werden. Wir als Projektinitiatoren werden uns parallel darum bemühen, auch überregionale Förderer zu finden; einige sind schon angesprochen.
 
- Nach dem Transfer ist 2012 die Rückkehr der Ausstellung nach Berlin geplant. Hier wird die Ausstellung in ihrer gewachsenen Breite und Gesamtheit präsentiert.
 
- Die Ausstellung wird von einem internationalen Treffen postkolonialer Initiativen zur Straßenthematik begleitet.
 

 

 
Beispiel und erste Etappe Berlin
 
In Berlin werden vier der bundesweit besonders umstrittenen Straßennamen thematisiert: 'Petersallee', 'Lüderitzstraße', 'Nachtigalplatz', zudem 'Woermannkehre'. Darüber hinaus stellt die Austellung Menschen aus den früheren deutschen Kolonien vor, die sich gegen das koloniale Unrecht zur Wehr setzten und deshalb als alternative Namensgeber vorgeschlagen werden. Das Projekt gibt den Besucher/innen die Möglichkeit, sich an der kommunalpolitischen Debatte über die Um- und Neubenennungen aktiv zu beteiligen.
 
Über verschiedene Medien (Text, Bild, Video, Objekte, künstlerische Installationen) wird die Geschichte der Kolonisierung, des aktiven Widerstands und der Befreiung afrikanischer Länder vom Kolonialismus vermittelt. Dabei soll die afrikanische Perspektive im Mittelpunkt stehen: Das Thema des antikolonialen Widerstands wird gemeinsam mit afrikanischen Historiker/innen gestaltet.
 
In der Raummitte werden Zeitzeugen filmisch porträtiert, die in Interviews ihren persönlichen Erinnerungen an Afrikas Aufbruch nachgehen. Die Interviewten werden private Erinnerungsobjekte vorstellen, die in der Ausstellung präsentiert werden.
 

Joe Sam-Essandoh: 'Kakao-Maske'

 
Ausstellungsgestaltung, Interventionen, Begleitprogramm,Web:
Im Ausstellungsraum werden die Besucher/innen mit den ausdrucksstarken Masken des Künstlers Joe Sam-Essandoh zu einem Dialog eingeladen. Die Masken sind Assemblagen aus verworfenen Materialien aus Afrika und Deutschland, die zum Leben erweckt worden sind: tropische Samenkörner, Ziegenhorn, Kalebasse; Kaurimuscheln und Kokosnussschalen; Kuba- und Jutestoff, Korbgeflecht und Perlen; Diamanten, Kupfer und Blech; Kaffee, Kakao, Kautschuk und Palmöl.
 
Joe Sam-Essandoh bietet einen Maskenworkshop an, und die neu ensttehenden Masken werden in der Ausstellung integriert.
 
Die Ausstellung wird mindestens sechs Wochen in den Räumen der Neuen Galerie zu sehen sein und von einem thematischen Rahmenprogramm begleitet werden. Im Stadtraum werden künstlerische Interventionen sichtbar, die zum Dialog einladen. Schulklassen, BesucherInnen und PassantInnen werden angeregt, sich zu beteiligen.
 
Vier postkoloniale Stadtführungen und vier Sonderführungen durch das Deutsche Historische Museum in Berlin werden angeboten.
 
Begleitet wird die Arbeit vor Ort wesentlich durch eine Webpräsenz. Auf der Webseite werden Menschen in einem Forum zur Debatte eingeladen. Auf der Webseite werden auch Forschungsergebnisse zu den Biografien der derzeitigen und der alternativen Namensgeber und andere Themen dauerhaft bereitgestellt.
 
Der Genderaspekt wird während des gesamten Projekts berücksichtigt. Dabei werden explizit afrikanische Frauen als historische Persönlichkeiten vorgestellt und für neue Straßennamen vorgeschlagen.
 

 

Zielgruppen
 
Das Projekt möchte eine möglichst breite Öffentlichkeit für das Thema interessieren. freedom roads! ist zudem auf folgende Zielgruppen ausgerichtet:
 
- Schüler und Schülerinnen, die zur Ausstellung und zu Führungen im Stadtraum eingeladen werden. Schulaustauschprojekte mit afrikanischen Partnerstädten sind willkommen.
 
- afrikanische Communities und entwicklungspolitische Initiativen
 
- Multiplikator/innen und Studierende, die angeregt werden, postkoloniale Themen in ihre eigene Bildungs- und Forschungsarbeit stärker zu integrieren
 
- Anwohner/innen und politische Entscheidungsträger/innen vor Ort. Für sie sind vor allem Diskussions- und Informationsveranstaltungen von Interesse.
 
- Zeichen setzende Interventionen im Stadtraum zielen auf die Aufmerksamkeit derjenigen, die die Ausstellung und das Veranstaltungsprogramm nicht erreichen.
 
 
 
 
freedom roads!
Christian Kopp, Historiker
Berlin postkolonial e.V.
www.berlin-postkolonial.de
buero [at] berlin-postkolonial [dot] de
und
HMJokinen, Künstlerin, Kuratorin
afrika-hamburg.de
www.afrika-hamburg.de
info [at] afrika-hamburg [dot] de